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Amok

ca. 500 Gläser zur Harzgewinnung, ca. 150 Absperrfahnen, 1991, Raum differierender Größe, Werk verschollen

Alles und jedes, was so nebensächlich und hauptsächlich wird, ist eine Absonderung des Schmerzes, eine Skulptur der unterbrochenen Gegenwart. Dazu gehören auch die etwa 500 gläsernen Töpfe, die zum Auffangen des Kiefernharzes in der ehemaligen DDR dienten, das seinerzeit als Bindemittel in der Farbenindustrie verwendet wurde. Ein Vorgang, der die Einfachheit, die Armut und Behelfsmäßigkeit der Planwirtschaft entlarvte, die unter permanentem Rohstoffmangel litt und deshalb die Natur anzapfte: die Mono-Natur zum Partner machte.

Kunst ist nach Duchamp eine Frage der Wahl der geeigneten Materialien – auch bei dieser Installation. Über die von der Forstverwaltung ausgesonderten Gläser hat Paul Pfarr in unregelmäßiger Dichte und Höhe die farbigen Absperrfahnen ehemaliger Baustellen aus Ost-Berlin gehängt: und wieder zwei unterschiedliche, widersprüchliche Formelemente und zwei wesensfremde Materialien: das harte Glas und die Leichtigkeit von schwebenden Stofflappen, die hier ein sorgfältig inszenierte Einheit bilden.

Leon Battista Alberti formulierte einmal: „Schönheit ist die vernünftige Kongruenz aller Teile eines Ganzen, so dass nichts hinzugefügt, weggenommen oder verändert werden kann ohne schädliche Folgen“. Die gleiche elementare, ästhetische Vollkommenheit liegt auch hier der chaotisch wirkenden Installation zugrunde, bei der jede zufällig wirkende Einzelheit von Paul Pfarr genau geplant wurde. Was nach Trinkgelage und plötzlichem Aufbruch aussieht, ist nichts anderes als das Scheinchoas einer räumlich konzipierten Innenwelt: die geografische und existentielle Gegenüberstellung längst verflüchtigter Ereignisse, die wir inzwischen vergessen haben.

Das Sichtbare existiert. Aber das Sichtbare setzt ein Auge voraus, das fähig ist zu denken.Besonders dort, wo es um die Wildnis Deutschland geht, die seit dem Mauerfall zu reflektieren ist. Der deutsch-deutsche Sperrmüll ist seit Marcel Duchamp und der nachträgliche Selbstabschaffung der DDR eine bisher nich nicht bewältigte künstlerische Herausforderung geworden. Raffael Rheinsberg und Paul Pfarr haben die notwendige Fähigkeit, um mit dieser Herausforderung sinnvoll umzugehen.

Walter Aue, aus: Orte. Gegenstände. Paul Pfarr, Seite 30, ISBN 3-929 902-59-1