Paul Pfarrs nicht realisiertes Installationsprojekt „Windkanter V“, mit anderen Worten: „schwebende Steine“, könnten kaum drastischer als mit tonnenschweren, an Stahlseilen aufgehängten Granitsteinen das versinnbildlichen, was Henri Bergson „the burden of memory“ nannte. Die steinerne Last schwebt beängstigend dicht über den Köpfen der Betrachter – so hat es sich Paul Pfarr gedacht, die Empfindung von Angst und Bedrohung mit dem Ziel ihrer ästhetischen Überwindung durchaus ins Kalkül ziehend. Bedrohung geht aber nicht allein von der Gewalt der Materie aus, sondern auch im übertragenen Sinn durch die Gefahr eines Überhandnehmend von Erinnerung als Überschwemmung des Gedächtnisses. Auf Erinnern muss auch Vergessen folgen können, ja menschliches Leben ohne die Möglichkeit zu vergessen erschien Nietzsche unmöglich, die Fähigkeit zu vergessen „göttlich“. Im Zarathustra heißt es: „Wirf dein Schwert in die Tiefe! Mensch, vergiss, Mensch, vergiss! Göttlich ist des Vergessens Kunst!“. Im griechischen Mythos tranken die Seelen der Menschen aus dem Fluss Lethe, um ihre Erinnerungen zu tilgen. Im bedeutendsten Tempel des antiken Athens stand ein Altar für das Vergessen.
Barbara Straka, aus Paul Pfarr, Die Nähe der Dinge, Vacat-Varlag, S. 14