Im Gegensatz zu den naturbelassenen und unberührten Natur-Schöpfungen der Windkanter handelt es sich bei dieser Bodenskulptur um ganz normale, normierte und reglementierte Backsteine, die Paul Pfarr an der Küste der dänischen Insel Møn gesammelt hat. Zwei Installationen, die gerade durch ihren starken Kontrast ihre konzeptionelle Thematik verdeutlichen.
Hier der natürliche Stein als Symbol von Dauerhaftigkeit und dort der von Menschenhand oder industriell gefertigte Ziegelstein, der als Symbol des Verfalls dient. Hier das individuelle Einzelstück, das Fossil eines Urgesteins und dort der genormte, endlos reproduzierte Gebrauchsgegenstand. Da die Wildnis der Welt und dort die pittoreske Ausstrahlung einer topographischen Begrenzung. Brancusi-Schönheiten allesamt.
Sehen ist singulär. Sehen ist eine offene Wahrnehmungsform, die in viele Richtungen gleichzeitig die Vernetzbarkeit der Welt ermöglicht. Und so wird Einzelnes – wie in diesem Fall die vom Meerwasser abgeschliffenen Backsteine – als Kunst ausgesondert, zum Kunstbestandteil deklariert, in dem dieses maschinell produzierte Massenstück in einen wesensfremden Kontext verlagert wird: und zwischen archäologischem Dokument und ästhetischem Indiz eine neue Bedeutung erhält. Der Ziegelstein ist die Ikone unserer architektonischen Bauwelt und der Windkanter das archetypische Trümmerstück, die grenzenlose Metapher von der Erschaffung der Welt.
Und beides zu Steinfeldern gruppiert: hier die Verehrung der Natur und dort die subtile Neigung zu alltäglichen Fundstücken, die im allgemeinen als Abfall und Müll bezeichnet werden, und die Paul Pfarr wie kostbare Reliquien in seine Metallkästen einfügte. Zuordnungen und Einfügungen, die uns zu denken geben: und wir entdecken, daß die auf den rechten Winkel konzipierten mathematischen Ziegel durch stete Bewegung der Meeresbrandung wieder dem Naturstein angeglichen wurden.
Walter Aue, aus: Orte. Gegenstände. Paul Pfarr, Seite 40