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Winterlager

Rostender Stahl, Lehm- und Schamottereste, 1989, ca. 400 x 600 cm
(Werk verschollen)

Das Denken als plastisches Prinzip. Eine künstlerische Betätigung, die nichts anderes ist als eine geistig-sinnliche Lebensform, die unsere forschende Neugierde in Kunst verwandelt. Dazu gehört auch das Gewahrwerden kunstfähiger Gebilde, die sich an den peripheren Rändern unserer Erlebnisgesellschaft ansammeln. Vor allem geht es um den entscheidenden 

Sekundenvorgang Ihrer Auffindung, ihrer Entdeckung der schon häufig die Idee ihrer Weiterverwendung mit einschließt. Jener Zugriff, der die Würde und den Zauber der Dinge zu retten vermag.

Bei dieser Bodenskulptur handelt es sich um etwa hundert gebrauchte Ofenröhren aus Eisenblech, die Paul Pfarr im Laufe eines Jahres in den verschiedenen Stadtviertel von Berlin gesammelt hat: Urformen der Kunst, markante Physiognomien, die im allgemeinen der Welt verlorengehen, ohne daß wir daran Anteil nehmen. Und jeder kennt diese verrosteten, mit Lehm und Schamott umkleideten Ofenteile, die neben dem Bordstein der Straße liegen, sobald die alten Kachelöfen abgerissen werden. Und auch dies: ein unabwendbarer Verlust, denn hier endet die Idylle, die Melancholie eines Zeitalters, das das unsere war. Eine Homogenität, die zerbricht.

Paul Pfarr hat 24 solche Ofenröhren, die bisher die Zirkulation von Luft und Wärme der geliebten Kachelöfen regulierten, als ein Skulpturenfeld auf das Fabrikdach seines Ateliers gestellt, wo sie den Winter über stehenbleiben. Ein reglementiertes Kollektiv von aufrecht stehenden, vierkantigen Körpern, ihre Luftklappen wie Mäuler schräg gegen den Wind geöffnet: die Trümmerteile als mögliche tönende Statuen! Eine Vorstellung, die diese Installation in die Nähe eines monumentalen Instruments rückt und daran erinnert, dass Paul Pfarr 1985 schon einmal zehn metallenen Windharfen auf dem Dach eines ehemaligen Berliner Bunkers installierte.

Wird das Winterlager in einem Innenraum aufgebaut, beschichtet Paul Pfarr den Boden mit einem dicken Lehm/Schamotte-Bett, in das die hochkant aufgerichtet Blechkästen eingedrückt werden und so ein geschlossenes fast archäologisch wirkendes Gesamtbild entsteht: eine Art Eurasia, das Königreich der wertlosen/kostbaren Fundstücke.

Walter Aue, aus: Orte. Gegenstände. Paul Pfarr, Seite 19