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„Russisch Rot“ – Zehn Jahre nach dem Abzug der Roten Armee

Das Berliner Willy-Brandt-Haus zeigt Werke des Objektkünstlers Paul Pfarr, 2004
(Plakatgestaltung Betina Müller, vacat verlag, Potsdam)

Vor zehn Jahren (1994) zog die Rote Armee aus Ostdeutschland ab und eröffnete mit ihren aufgelassenen Siedlungsgebieten Jägern und Sammlern ein reiches Feld. Wer in Berlin Kontakt zu den Wohngemeinschaften der anarchistischen Jungmenschen pflegt, stößt auf zahlreiche Fundstücke, die sie, auf ihre träumerische Art dem verschwundenen Sowjetismus verbunden, immer noch dort ergattern und als Zimmerschmuck verwenden.

Seit 10 Jahren ist auch der Künstler Paul Pfarr – Jahrgang 1938 – auf jenen Gebieten unterwegs, und jetzt kann man im Willy-Brandt-Haus in der Berliner Stresemannstraße ein Resümee seiner Sammelarbeit besichtigen. Paul Pfarr rechnet einer Schule zu, für die sich der Kritiker Günter Metken das Label „Spurensicherung“ ausdachte. Sie wollen finden statt erfinden; statt das Material in der Gestaltung aufzulösen, exponieren sie es als solches. So steht man im Willy-Brandt-Haus vor einem Tisch, der dicht besetzt ist mit emaillierten Henkelbechern, vor allem weiß, wenige grün, angeschlagen, teilweise mit kyrillischen Buchstaben geziert, und man gedenkt der Soldaten, die daraus ihren Tee tranken und ihre Gebrauchsspuren hinterließen, eine verschwundene Armee, bloß von ihren primitiven Trinkgefäßen repräsentiert. Das macht ein starkes Gefühl.

Paul Pfarrs Arbeit hängt mit Ethnologie und Archäologie ebenso eng zusammen wie mit der Kunstgeschichte. Peter Jahn vom Deutsch-Russischen Museum in Karlshorst – wo die Kapitulationsurkunde unterschrieben wurde – wies bei der Eröffnung am Mittwoch darauf hin, dass man die Ausstellungsstücke leicht seinem -historischen – Museum zuordnen könne; während Barbara Straka die Linien bis zu Marcel Duchamps Ready Mades und zu Baudelaires Figur des Lumpensammlers durchzeichnete. Das charakterisiert den großen Reiz dieser Objekte: Sie stellen historische Zeugnisse dar – das abgeschlagene Email demonstriert, wie wenig Wert die Rote Armee hier auf intaktes Equipment legte – und zugleich offerieren sich diese Objekte, weil sie in die Kunstwelt transferiert wurden, einem Staunen, das sich an ihnen nicht sattsehen kann und in keiner Deutung ankommt.

Vor zehn Jahren (1994) zog die Rote Armee aus Ostdeutschland ab und eröffnete mit ihren aufgelassenen Siedlungsgebieten Jägern und Sammlern ein reiches Feld. Wer in Berlin Kontakt zu den Wohngemeinschaften der anarchistischen Jungmenschen pflegt, stößt auf zahlreiche Fundstücke, die sie, auf ihre träumerische Art dem verschwundenen Sowjetismus verbunden, immer noch dort ergattern und als Zimmerschmuck verwenden.

aus: Deutschlandfunk, Rubrik: Kultur heute, 24.08.2004