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Hölderlin-Räume

Eine Skulptur, die die Stadt durchquert: Berlin – Tübingen – Berlin, 1985

Hölderlin-Räume

Zur Ausstellung von Paul Pfarr im Kammermusiksaal, Berlin

In dem Buch Hölderlin-Räume wird ein Couch-Objekt von Paul Pfarr in die kontrastreiche und geschichtsträchtige Stadtlandschaft von Berlin platziert und in diesen alltäglichen Außen- und Innenräumen von ihm fotografisch festgehalten. Das Objekt, eine mit Kunstleder überzogene Sanitätsliege, auf der er einen massiven Vierkant-Stahlblock befestigt hat, soll die Schmerzen der menschlichen Psyche verdeutlichen, die der kranke Hölderlin-Mensch unserer gegenwärtigen Zeit erdulden muss. Ein „Möbelstück“, das zwischen Brückenpfeiler und Hausruinen, in U-Bahn-Schächte und ein Krematorium, in Klinikflure und Straßenzüge gestellt, in Feldern und auf Schrottplätzen, vor dem Olympiastadion und der Mauer fotografiert wurde. – Ein Kunstobjekt, das die wechselnden Bildräume verwandelt und auf das Hölderlin-Thema ausrichtet. Höhepunkt dieser konzeptionellen Arbeit ist der Transport des Objektes von Berlin nach Tübingen und die Fortsetzung der Fotosequenzen im Hölderlin-Turm, in dem Friedrich Hölderlin vom 3. Mai 1807 bis zum 7. Juni 1843 als angeblich „geistig umnachteter“ 36 Jahre lang gelebt hat. In Tübingen wurde das „Couch-Objekt“ nicht nur an den idyllischen Plätzen der Stadt aufgestellt, sondern auch im Evangelischen theologischen Stift (wo Hölderlin studierte), vor der alten Bursa (wo man Hölderlin als Geisteskranken einlieferte), auf dem Friedhof (wo sich sein Grab befindet) und in der Landschaft der Schwäbischen Alb fotografiert. Die wichtigste Bildsequenz aber entstand im fast leeren Hölderlin-Raum des Turmes, in dem der Dichter gewohnt hat und – wie von seinem Biografen Wilhelm Waiblinger berichtet wird – ein „kleines Sofa“ geschenkt bekam. Und dieses Möbel ist der Ausgangspunkt des Buches. Hier allerdings geschah etwas vollkommen Unerwartetes: Sämtliche Vitrinen waren mit auf Maß gefertigten, schwarzen Tuchüberzügen versehen, gleichsam als wollten sie ihren Inhalt verweigern. Von dieser ungewollten „Inszenierung“ ging eine derartig beklemmende Wirkung aus, dass der Künstler spontan den Zusammenhang mit seinem Objekt herstellte und auch für dieses den entsprechenden schwarzen Tuchüberzug nähen ließ. In dieser veränderten Form war der Vierkant-Stahlblock plötzlich kein Fremdkörper mehr, er wurde sozusagen integriert – forderte um so nachdrücklicher das Beobachten und Nachdenken. Wieder aus dem Turm genommen, hatte das Objekt eine Mutation erfahren – es war nicht mehr dasselbe – und es wurde deutlich, dass die darauffolgenden Fotos in Tübingen und wieder zurück in Berlin in dieser Gestalt gemacht werden mussten. Aus dem Konzept entstand 1985 eine Trilogie. Berlin – Tübingen – Berlin. Den Text zu dem Buch „Hölderlin-Räume“ schrieb Walter Aue, der auch die Idee zu diesem Projekt hatte.

Textauszug: Die Philharmonischen Programmhefte, 1992/93, im Rahmen des Hölderlin-Zyklus der Berliner Philharmoniker unter Claudio Abbado

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Cover des Buches Paul Pfarr, „Hölderlin-Räume“, 
Edition Cantz (ISBN 3-89322-006-0)