Bindungen ist die einzige Arbeit von Paul Pfarr, in der die menschliche Gestalt voll präsent ist. Ein liegender Frauenakt, Kinn und Stirn bandagiert, die Hände auf der Brust gefaltet und wie zur ewigen Ruhe gebettet. Die Figur aus gebranntem Ton erinnert in ihrer würdevollen, strengen Schönheit an Grabfiguren auf alten Sarkophagen, die Gesichtszüge allerdings lassen mehr an Schlaf als an den Tod denken. Man wird gewahr, dass der imposante Leib auf einem leicht angewinkelten Gestell ruht, das vordem vermutlich zu gynäkologischen Zwecken gedient hatte, und dass unter der eisernen Pritsche eine Embryonalgestalt liegt, als fest verschnürtes Bündel auf einer tönernen Lade. Todeshauch verkehrt sich unversehens in Lebensatem, zeigt eine Ambivalenz in der Grundhaltung, die für Pfarrs gesamtes Werk symptomatisch scheint. In der Mehrzahl der Arbeiten, denen ein Umschlag von einem Pol zum anderen – egal welcher Begrifflichkeit – als bewegendes Moment immanent ist.
Lucie Schauer, in: Paul Pfarr, Arbeiten 1971–84, Erscheinungsjahr und Ort, Seite 7